Oberösterreich Beitrag

5. Juli 2019

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Familiäre Zystennieren

Bei familiären Zystennieren handelt es sich um eine erbliche Nierenerkrankung, ihre Häufigkeit liegt bei etwa vier Personen pro 100 000 Einwohner, was in Österreich etwa 3500 Patienten entspricht. Die Erkrankung ist durch ein langsames Entstehen und Wachsen von Zysten charakterisiert. Da durch diese Größenzunahme gesundes Nierengewebe beschädigt wird, kommt es parallel zu einer Abnahme der Nierenfunktion. Wenn ein Elternteil betroffen ist, beträgt die Wahrscheinlichkeit fünfzig Prozent, dass auch ein Kind erkrankt (autosomal-dominanter Erbgang). Ein anderer Name für diese Krankheit ist daher ADPKD, eine Abkürzung des englischen Begriffs „autosomal dominant polycystic kidney disease“. Zwei Gene wurden identifiziert, die für den Großteil der Erkrankung verantwortlich sind (PKD-1 und PKD-2), in seltenen Fällen kann ADPKD auch bei unauffälliger Familiengeschichte auftreten (Neumutation). Mutationen im PKD-1-Gen führen rascher zu einem Nierenfunktionsverlust, etwa die Hälfte solcher Patienten benötigt bis zum fünfzigsten Lebensjahr eine Nierenersatztherapie, also eine Dialyse oder Nierentransplantation.

Vortrag von OA Dr. Martin Windpessl beim VEREIN NIERE OÖ am 28. März 2019. vl. OA Dr. Martin Windpessl, Christian Deimel und Rudolf Brettbacher

Die Nierenzysten können mitunter eine beträchtliche Größe erreichen und zu Völlegefühl und Schmerzen führen. Zystische Veränderungen finden sich aber auch in anderen Organen, vor allem in der Leber. Treten Bauchschmerzen plötzlich auf, kann eine geplatzte Zyste oder eine Infektion dahinter stecken, auch eine erhöhte Neigung zu Nierensteinen ist bekannt; Blut im Harn kann also bei diesen Patienten verschiedene Gründe haben. Typische Aussackungen der Hirngefäße (Aneurysmen) finden sich in Abhängigkeit der Familienanamnese in 6 bis 20 Prozent, die gefährlichste Komplikation ist die Ruptur, die zu einer Hirnblutung führt.  Ist in einer Familie eine solche Blutung aufgetreten, wird betroffenen Angehörigen eine MR-Untersuchung des Gehirns empfohlen. Bluthochdruck ist häufig und oft bereits bei Kindern zu beobachten.

Die Diagnose ADPKD kann bei positiver Familienanamnese durch eine Ultraschalluntersuchung der Nieren gestellt werden, allerdings können sich Zysten erst im Lauf der Jugend ausbilden, sodass eine unauffällige Ultraschalluntersuchung diese Erkrankung erst nach dem dreißigsten Lebensjahr mit hinreichender Sicherheit ausschließt. Eine Untersuchung von Kindern aus „ADPKD-Familien“ wird jedoch erst im frühen Erwachsenenalter empfohlen, weil die Kindheit unbeschwert sein sollte. Lediglich Blutdruckkontrollen sind schon zu einem frühen Zeitpunkt ratsam, eine konsequente Blutdruckeinstellung bremst nämlich den Krankheitsverlauf. Des Weiteren ist der Stellenwert des Nichtrauchens besonders hervorzuheben, Normalgewicht ist erstrebenswert. ADPKD ist die einzige Nierenerkrankung, bei der „viel Trinken“ tatsächlich sinnvoll ist, wobei dies nur ihren früheren Stadien zutrifft; ist die Nierenfunktion einmal höhergradig eingeschränkt, muss auch die Flüssigkeitszufuhr reduziert werden, weil sonst Ödeme auftreten können. Kaffee kann (in Maßen) bedenkenlos konsumiert werden.

Seit wenigen Jahren steht für ADPKD-Patienten mit Tolvaptan eine Therapieoption zur Verfügung, die das Zystenwachstum bremst und so den Funktionsverlust der Nieren verlangsamen kann. Allerdings ist dieses Medikament nur für Patienten sinnvoll, bei denen einerseits von einem raschen Voranschreiten der Erkrankung auszugehen ist, andererseits aber noch keine ganz weit fortgeschrittene Nierenfunktionseinschränkung vorliegt. Aufgrund seines Wirkmechanismus führt Tolvaptan zu großen Harnmengen mit daraus resultierenden hohen Trinkmengen.

Erreicht der Patient ein fortgeschrittenes Stadium der Nierenerkrankung, stellt sich oft die Frage, ob sich ein (gesunder) Angehöriger als Spender einer Niere eignet. Da in einer Familie oft mehrere Betroffene existieren, kann die Entscheidung mitunter schwer fallen. Sind die Zystennieren sehr groß, ist es vor geplanter Transplantation manchmal notwendig, zumindest ein Organ zu entfernen, um der „neuen“ Niere ausreichend Platz zu bieten. Interessanterweise kommt es nach einer Nierentransplantation oft zu einer Größenabnahme der verbliebenen Zystennieren. Neben der Hämodialyse kann auch die Peritonealdialyse eine gute Therapieoption darstellen, vorausgesetzt, die Zystennieren lassen für die Dialyseflüssigkeit ausreichend Platz im Bauch.

Patienten mit ADPKD sollten im Krankheitsverlauf in einer Nierenambulanz betreut werden, in frühen Stadien sind Kontrollen in jährlichen Abständen ausreichend. Da auf dem Gebiet der Zystennieren rege Forschungsaktivität herrscht, ist zu hoffen, dass bald weitere Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die den Krankheitsverlauf günstig beeinflussen können.