Generika in der Transplantationsmedizin
Zusammenfassung von Gesprächen mit Prof. Zuckermann und Dr. Jaksch, AKH Wien
Der Ersatz von Immunsuppressiva durch generische Nachfolgeprodukte ist seit längerem ein heißes Thema. Die meisten Originalmedikamente sind inzwischen 20 Jahre auf dem Markt, d.h. die Schutzfrist läuft ab. Transplantierte sind ein stabiler guter Markt, auf den „Nachahmer“ mit kostengünstigen Präparaten nachdrängen. Die Kassen unterstützen verständlicherweise diesen Prozess, der aber bei Immunsuppressiva besonders heikel ist. Wird dagegen ein Blutdruck- oder Fettsenker durch ein Generikum ersetzt, ist das mit ganz wenigen Ausnahmen unkritisch.
Zur Klarstellung: Grundsätzlich ist nichts gegen Generika einzuwenden, der Wirkstoff ist der gleiche wie beim Originalpräparat. Der Unterschied liegt in der „Verpackung“ des Wirkstoffs, der vom Körper anders aufgenommen wird und dadurch den Spiegel beeinflusst.
Generika sind kostengünstiger als die Originalpräparate, weil die Forschungsausgaben gering sind und ihre Zulassungsprozedur vereinfacht ist. Getestet wird an relativ kleinen Stichproben von gesunden Menschen vorwiegend im mittleren Alter – ob ältere chronisch kranke Patienten das gleiche Aufnahmeverhalten zeigen, wird nicht untersucht. Die Absorptionsrate bei Transplantierten mit z.B. Cystischer Fibrose oder Diabetes weicht deutlich von der durchschnittlichen Bevölkerung ab! Nachgewiesen werden muss Bioäquivalenz (Austauschbarkeit zweier wirkstoffgleicher Arzneimittel). Seit kurzem muss die Aufnahmerate bei kritischen Medikamenten zwischen 90 und 110 % des Originalpräparats liegen – das ist schon ein Fortschritt. Für weniger kritische Medikamente sind es 80 – 125 %.
Fazit: Was bei der Zulassung gespart wird, muss bei Patienten in der praktischen Anwendung nachgeholt werden. Die Unsicherheit ist für die Gratwanderung zwischen Abstoßung und Infektionsrisiko bei Organtransplantierten zu groß, daher sind, gleich wie bei der Umstellung von einem Originalpräparat auf ein anderes, engmaschige Spiegelkontrollen erforderlich. Diese sind vom betreuenden Zentrum vorzunehmen, nur dort kennt man den individuellen Patienten gut genug.
In den letzten 10 Jahren war es durch sorgfältige Anwendung der Generika möglich, viel Erfahrung zu sammeln, so dass heute das Verhalten etlicher Generika gut bekannt ist. Der Markt ist aber unübersichtlich. Neben Sandoz (Österreich) und Teva (Israel) bringen auch viele kleine Firmen Generika auf den Markt.
Ein potentielles Problem in der Praxis ist die Domino-Umstellung: Aus Kostengründen wird z.B. von Original auf Generikum 1 auf Generikum 2 umgestellt usw. Eine solche Umstellung ist überhaupt nicht geregelt. Das ESOT Komitee zu generischer Substitution hat als Richtlinie erlassen, dass nur Transplant-Ärzte eine Umstellung vornehmen sollen, und das nur unter engmaschiger Spiegelkontrolle. Durch die aufwändige Umstellungsprozedur und das Risiko von Folgeschäden wird u.U. die Wirtschaftlichkeit der Substitution in Frage gestellt.
Absolut unzulässig ist eine Umstellung durch den Hausarzt. Mit Unterstützung der ARGE Selbsthilfe ist es gelungen, vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger eine Stellungnahme dazu zu erhalten. (s. Kasten)
Auszug aus Schreiben des Hauptverbands an ARGE Selbsthilfe
Sehr geehrte Frau Mag.a Fried, zu den gestellten Fragen können wir Ihnen Folgendes berichten:
Im Erstattungskodex befinden sich diverse Immunsuppressiva, zu einigen davon gibt es wirkstoffgleiche Nachfolgeprodukte (Generika).
Welches Produkt ein/e Verschreiber/in auswählt, liegt im Verantwortungsbereich des/der Verschreibers/in. Er/sie ist jedoch als Vertragspartner an die Richtlinien der Ökonomischen Verschreibweise gebunden (RöV). Der Einsatz von kostengünstigeren, wirkstoffgleichen Produkten wurde dementsprechend ganz besonders bei Neueinstellungen befürwortet. Bei Umstellungen auf wirkstoffgleiche Nachfolgeprodukte wurde immer die Empfehlung vertreten, dass dies nur unter entsprechenden Blutspiegelkontrollen erfolgen solle.
Wir hoffen, Ihnen mit dieser Information weitergeholfen zu haben und stehen gerne für weitere Fragen zu Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
i.A. Vertragspartner Medikamente Hauptverband der Sozialversicherungen
Einzelne Kliniken beginnen bei neu Transplantierten bereits direkt mit Immunsuppression durch Generika. Da die maßgeschneiderte Einstellung mit dichten Spiegelkontrollen unmittelbar nach der Transplantation in jedem Fall vorgenommen werden muss und auch die Nebenwirkungen genau beobachtet werden, ist diese kostengünstige Vorgangsweise sicher. Die Behandlung Lungentransplantierter am AKH Wien erklärt Dr. Jaksch so:
Statement von OA Dr. Peter Jaksch, Nachsorge LuTX, AKH Wien
Die Verwendung von Generika stellt selbstverständlich eine sinnvolle Maßnahme dar, um Kosten bei relativ gleicher therapeutischer Effizienz zu sparen. Bei den meisten verordneten Medikamenten ist das Risiko auf ein Generikum umzustellen sicher vertretbar.
Bei immunsuppressiven Medikamenten, sogenannten Critical Dose Drugs, reichen die zur Zulassung eines Generikums erforderlichen Studien sicher nicht aus, um einen Patienten auf ein preiswerteres Präparat umzustellen.
Untersuchungen an gesunden Probanden ohne Ko-Medikationen widerspiegeln sicher nicht einen transplantierten Patienten. Noch dazu besteht bei lungentransplantierten Patienten im Vergleich zu anderen Organtransplantierten ein extrem hohes Risiko akuter Abstoßungsreaktionen (> 30% im ersten Posttransplant-Jahr) und eine hohe Inzidenz an chronischen Abstoßungen (>50% nach 5 Jahren post TX).
Grundsätzlich sollte niemals das Risiko medizinischer Komplikationen zugunsten finanzieller Erwägungen eingegangen werden. Therapiesicherheit hat Vorrang. Infolgedessen sollte die Umstellung auf Generika nur im betreuenden Transplantzentrum unter engmaschigen
Kontrollen der Medikamentenspiegel erfolgen und das nur bei stabilen Patienten ab dem 2. Jahr nach Transplantation.
Für bereits eingestellte Patienten heißt das Folgendes:
Keine Umstellung ohne Einbindung des Nachsorgezentrums!
Sollte Ihnen vom Hausarzt oder Chefarzt ein anderes Präparat als das vom Zentrum verschriebene verordnet oder nahegelegt werden:
Akzeptieren Sie das keinesfalls kommentarlos, verweisen Sie auf das Schreiben
der SV und diesen Artikel
Ersuchen Sie den Arzt, mit dem Nachsorgezentrum Kontakt aufzunehmen
Tut er das nicht, machen Sie es selber
Das gilt unbedingt nur für Immunsuppressiva, ist aber auch bei anderen,
weniger kritischen Medikamenten zu empfehlen. Bei zusätzlichen aus
anderem Anlass notwendigen Medikamenten, v.a. Antibiotika, machen Sie
bitte den Arzt darauf aufmerksam, dass er die Verträglichkeit mit den Immun-
suppressiva prüfen muss und sich im Zweifelsfall beim TX-Zentrum informiert.
Ulf Ederer
Quelle: alive!intern Nr 22 Februar 2015